Montag, 7. September 2009

Banksy versus Bristol Museum

Nur sechs Wochen lief Banksys erste Ausstellung in einem Museum, dennoch sahen sie laut BBC Bericht über 300.000 Menschen, die oft drei bis vier Stunden anstehen mussten. Das Stadtmuseum in Banksys Heimatstadt hatte noch keinen derartigen Ansturm an Besuchern erlebt – die Umsätze in den Lokalen und Geschäften stiegen spürbar – und alles wegen dem einst als Schmierfink und Vanalen verfolgten und geschmähten Sohn Bristols. In der Stadt finden mittlerweile fast alle Banksy toll, nur einige Graffiti-Sprayer werken ihm Ausverkauf vor und schänden seine alten, illegalen Werke im Stadtbild mit Farbbeutel-Attacken. Neid oder Dummheit, das ist hier die Frage. Denn Banksy bekommt weder Honorar für die Ausstellung noch müssen die Besucher zahlen. Das Publikum ist sehr divers, von Eltern mit Kindern über Lespen-Pärchen zu Omas und den üblichen Art-Fags war alles vertreten. Doch nun zur Ausstellung selbst: Ausschließlich Banksys gab es nur in einem großen Ausstellungsraum unten, der völlig schwarz gestrichen und mit Tarnnetzen an der Decke den nötigen Underground-Flair erzeugen sollte. Doch im übrigen Museum waren - wie bei der Ostereier-Suche - in jeder Abteilung und in fast jedem Raum weitere Werke Banksys unter die Originale geschmuggelt. Die Suche gestaltete sich sehr spannend. Drei Werke habe ich selbst nicht gefunden, nur im Internet habe ich Bilder und Berichte darüber gelesen. In der Porzellansammlung entging mir eine Hash-Pfeife (siehe Foto) in einer Vitrine mit edlem Geschrirr des 17. Jahrhunderts, und auch ein Teller mit „Schoko-Eis-Scheiß“ habe ich nicht wahrgenommen. Zudem habe ich eine (ausgestopfte?) Ratte mit Farbsprühdose in der Naturhistorischen Sammlung übersehen. Da diese Werke nicht als Banksys gekenzeichnet waren und auch in keinem Katalog aufgeführt waren, waren sie teils schwer zu identifizieren. Der Dildo zwischen den Stalkmiten in der Gesteinsammlung war schon bei flüchtiger Betrachtung zu übersehen. Bei anderen war ich mir bis zum Schluss nicht sicher, ob es überhaupt Banksys waren oder nicht. Doch jetzt endlich zur regulären Banksy-Ausstellung. Es gab in der Aula einige vandalisierte klassische Statuen, wie beispielsweise einen pädophilen Bischof mit Lollis als Lockmittel in der Hand, Lederdress und auf den Boden gefallenem Kleid. Michelangelos David war als Selbstmord-Bomber zu sehen, auch eine shoppinggeile Paris-Hilton-Venus-Statue fehlte nicht. Neben Stencils auf Leinwänden und Zeichnungen des Meisters waren viele vanalisierte Öl-Gemälde ausgestellt. Ich war insgesamt sehr zufrieden mit der Ausstellung, wenig überraschte mich wirklich, vieles kannte ich schon in Abwandlungen, in anderen Medien, wie den Buddha mit der Halskrause und dem gebrochenen Arm. Dennoch war es interessant, die Werke mal in Realität zu sehen und ihre Machart und reale Größe (sind alle wesentlich größer als man sie sich vorstellt). Viele sind ganz offensichtlich auf einer Idee basierend schnell und oft wenig detailliert ausgeführt. Man hat das Gefühl, dass sie hauptsächlich schnell wirken sollen und nicht zum lange davorstehen und nachdenken gemacht sind. Was bei der Zeitspanne, die Passanten auf der Straße einem Banksy widmen, auch kein Wunder ist. Aufgrund des übergroßen Ansturmes war im Museum auch nicht so viel Muße da. Toll fand ich einen Raben, der ein blutiges Tampon im Schnabel hatte, der auf einem Stonehenge aus Dixi-Klo-Häuschen saß. Das hat mich an Musikfestivals erinnert (tatsächlich hat er dieses Werk bereits 2007 auf dem Glastonbury-Festival gezeigt. Interessant war insbesondere auch ein nachgestelltes Atelier Banksys, wo all die Schablonen und Inspirationen und Arbeitsmaterialen herumliegen. Der Anteil an Installationen und Skulpturen ist definitiv gestiegen, das Niveau ist gleich geblieben, jedoch funktionieren viele Werke nach dem selben Schema: Etwas harmloses, alltägliches wir mit etwas Provokativen kombiniert, dadurch entsteht ein Kontrast, der beide abmildert und lustig macht. Wirkungsunterschiede entstehen durch den jeweiligen dominateren Part, wenn das provokaive stärker ist, ist der Witz sarkastischer, wenn das harmlose dominiert, ist der Witz flacher. Dadurch, dass fast alle Besucher ständig mit ihren Digitalkameras Fotos schossen wie Trophäen-Jäger, bekamen sie dadurch einen Abstand, der die Wirkung milderte. Am besten gefiel mir das Gesamtkonzept: Ein berühmt gewordener Graffiti-Vandale macht eine unglaublich erfolgreiche Ausstellung im traditionsreichsten Museum seiner etwas provinziellen Heimatstadt, nachdem er damit bekannt wurde, seine Werke ungefragt in berühmte Museen wie den Louvre zu hängen und nur in Lagerhäusern auszustellen. Jetzt schmuggelt er seine Werke erlaubterweise unter die Traditionssammlung und die Besucher müssen sich alles zumindest oberflächlich ansehen, um die Banksys dazwischen zu erhaschen.