Donnerstag, 4. Dezember 2014

Call For Papers: Camouflage! Interdisziplinäre Forschung zum Verbotenen und Verborgenen (Heidelberg, 20-22 Nov 15)

2015 organisieren Tina Öcal und ich eine Tagung mit dem Titel Camouflage! Interdisziplinäre Forschung zum Verbotenen und Verborgenen, die an der Universität Heidelberg, Institut für Eu. Kunstgeschichte vom 20. bis 22. November 2015 stattfinden wird.

Die Deadline des Call For Papers war Feb 1, 2015

Für einen 25-minütigen Vortrag bitten wir um ein Exposé von 300 Wörtern sowie um knappe biographische Information. Neben wissenschaftlichen Kurzvorträgen sind künstlerische Beiträge sowie alternative Formate ausdrücklich willkommen. Die Einreichungen schicken Sie bitte an Tina Öcal und Ulrich Blanché unter camouflage@bildalsereignis.de.

www.bildalsereignis.de
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Camouflage! Interdisziplinäre Forschung zum Verbotenen und Verborgenen
Veranstalter: Das Bild als Ereignis e. V., Ulrich Blanché, Tina Öcal 

"C'est nous qui avons fait ça!" (Wir haben das gemacht!) rief Picasso beim Anblick einer Kanone in Tarnfarben und verwies dabei auf ihre zersplitterten Muster (dazzle prints), die - in der Tat dem analytischen Kubismus entlehnt - 1915 von der französischen Armee unter künstlerischer Beihilfe entwickelt wurden. Tarnfarben hielten bald Einzug in die Populärkultur und inspirierten die Optik von Bands wie The Clash oder Public Enemy, die mit ihren Kampfanzügen den „urban guerrilla“-Stil prägten. In der Mode waren es Designer wie etwa Jean Paul Gaultier, die den Camo-Chic salonfähig machten, nicht jedoch um verschwinden zu lassen, sondern - ganz im Gegenteil - um aufzufallen. Camouflage ist jedoch kein rein modernes Phänomen. Ist nicht die Kunst des Mittelalters bereits Camouflage, da ihre Grenzen zum Leben verwischen und beides, Kunst und Leben, untrennbar miteinander verwoben ist? Auch das künstlerische Spiel mit Illusionen und Augentäuschungen rückt das Phänomen der Camouflage konzeptuell in die Nähe des Trompe-l’œil im Barock, wenn etwa schlichtes Mauerwerk, mit arkadischen Aussichten getarnt, ein dreidimensionales Geschehen auf einem zweidimensionalen Träger suggeriert.
Zeitgenössische urbane Phänomene wie Street Art und Graffiti changieren als „Bastard-Kunst“ (Brassaï, 1933) zwischen Heimlichem, Verborgenem und Öffentlichem, während sich Fälschungen als gegenwärtige 'Anti-Kunst' den Effekt der Identitätsverschleierung zu Nutze machen, um in der Kunstwelt als Original rezipiert zu werden. Das Style Writing des heutigen Graffiti etwa verschließt sich der breiten Rezeption, indem es sich kodifizierter Zeichen bedient, die zunächst nur von Eingeweihten lesbar sind. Das vielleicht einflussreichste Kunstwerk des britischen Street Artists Banksy oder der feministischen Kunstaktivistinnen Guerrilla Girls lässt sich im Bereich der Performancekunst ansiedeln: Es stellt beider zelebrierte Anonymität dar. Als Camouflage mit Pseudonym und Maske ausgestattet wird ihre Anonymität zum Logo, zur Marke und zum Alleinstellungsmerkmal, indem sie den grassierenden Celebrity-Kult und die Authentizität von Künstlerbiografien generell hinterfragen. Zugleich ist diese Kunst im Untergrund stets mit dem Kriminellen und der Illegalität behaftet - Fälscher, wie erst kürzlich der Fall Beltracchi verdeutlichte, werden nach ihrer Entlarvung mitunter zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt; ebenso kann es Akteuren der Street Art und des Graffiti ergehen. Beiden Werkgruppen droht nach ihrer Enttarnung oftmals die Vernichtung, was letztendlich Ausdruck ihrer mangelnden Anerkennung als Teil der Kunstgeschichte ist.
Das Phänomen der Camouflage ist also präsenter denn je und reicht von Tarnung und Täuschung bis zu Rebellion und Illegalität. Nelson Goodmans Standard-Werk "Sprachen der Kunst" oder Lambert Wiesings 2013 erschienenes "Sehen lassen" sind wiederum Teil eines Diskurses, der die Mitteilsamkeit des Kunstwerks proklamiert oder diese zumindest als gegeben voraussetzt. So herausragend beide Publikationen sind, so sehr lassen aktuelle Diskurse all jene Kunst außer Acht, die sich dem Radar der Kunstgeschichte zuweilen radikal verweigern und sich insofern dem Betrachter zunächst weniger er- als vielmehr verschließen. Die gegenwärtige Kunstgeschichte und Bildwissenschaft wendet sich folglich an ein Werk, dem per se Erschließbarkeit und Offenheit zugeschrieben wird, übersieht dabei jedoch all Jenes, das sich diesem nach Erschließbarkeit suchenden Blick entzieht, sich also weiter tarnt.
Die 4. Jahrestagung des Vereins "Das Bild als Ereignis e.V." setzt an jenen Schwellen der Kunstgeschichte an, um alles Verborgene und Verbotene zum Diskurs zu bringen, das bisher eher marginal betrachtet wurde.
Ziel ist es, im Rahmen der international ausgerichteten Tagung an der Universität Frankfurt ein differenziertes Licht aus den unterschiedlichen Disziplinen auf das Phänomen der Camouflage zu werfen. Die Vorträge der einzelnen Sektionen können auf die unten genannten Fragen eingehen, sind aber nicht auf diese begrenzt. Neben den ausgewiesenen Disziplinen der Kunstgeschichte aller Epochen sowie der Bild- und Gesellschaftswissenschaften ist die Tagung bewusst interdisziplinär gehalten, sodass neue Impulse etwa aus der Informatik, den Rechts- oder Naturwissenschaften, der Philosophie und Theologie oder den Theater-, Film- und Medienwissenschaften sehr willkommen sind. Vorschläge vom Wissenschaftsnachwuchs oder von etablierten Forschenden sind gleichermaßen erwünscht ebenso wie Vorschläge auf Englisch. Da die primäre Tagungssprache Deutsch sein wird, sind passive Deutschkenntnisse erforderlich, um eine fruchtbare interdisziplinäre Diskussion anzuregen.

Aufbau
Aus dem oben genannten Konzept ergeben sich folgende Oberbegriffe und Fragen nach den Zielen von Camouflage-Strategien in den unterschiedlichen Bereichen, in welchen insbesondere die Grenzen der Kunst hin zu anderen Praktiken unserer Gesellschaft ausgelotet werden:

1) Camouflage und Gesellschaft
Ist das Phänomen der Camouflage ein reaktiver Gegentrend oder auch aktiv, indem daraus neue Impulse an Kunst und Gesellschaft ergehen? Wie spiegelt sich jener Trend in den Medien wieder? Wie verändern Bilder des Terrors unseren Bezug zu Offenheit versus Schutz in der Gesellschaft und in der Kunst? Wie verändern Camouflage-Kulturen unseren Blick und unser Verhältnis zu Nationalität auch als Teil von Identität in der Kunst? Hat Kunst eine Nationalität?

2) Anonymität – Versteckspiel und Tarnung als Gegentrend?
Ist Camouflage Vertuschung, Irreführung, Betrug, Schutz oder Blickführung auf das Wesentliche und somit Verbergen von ablenkenden Nebensächlichkeiten? Welche Bedeutung haben gerade mit Blick auf die NSA-Spionage-Affäre Identität und der Schutz oder die Tarnung dieser Identität für eine moderne Gesellschaft? Wie wichtig ist die Künstlerbiografie? Was bedeutet es für das Werk, wenn sie nicht vorhanden ist, falsch ist oder nicht zu den Kunstwerken passt?

3) Authentizität - Was ist da Kunst daran?

Was verbirgt Kunst, die Camouflage-Strategien anwendet? Wann ist Kunst echt? Gibt es das Wahre im Falschen? Formen Fälschungen eine neue Geschichte oder wiederholen sie Geschichte?

4) Kunstbetrachtung – an wen richtet sich das Werk?
An wen ist Kunst gerichtet, die sich dem lesenden Blick entzieht? Ist die Kunst der Camouflage bewusst auf den Zufall in der Rezeption gerichtet also auf jene, die spontan an einer Häuserwand entlangflanieren? Macht sie den Betrachter etwa zum Voyeur eines "geheim Erschauten" (Paul Klee, 1924)? Oder ist sie, wie etwa im Fall der Fälschung, an ein ausgewiesenes Publikum von Connaisseurs gerichtet, ohne die die Tarnung gar nicht funktionieren würde?

Eine Dokumentation der Tagungsergebnisse in Form eines Tagungsbandes sowie eines Videoberichts über L.I.S.A. - Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung sind vorgesehen.

Veranstalter
Der Verein „Das Bild als Ereignis“ wurde 2010 mit dem Ziel gegründet, sich lebendig und interdisziplinär mit Kunst und Kunsttheorie zu befassen. Er versteht sich als Arbeitskreis, Kommunikationsplattform und Förderorgan für den wissenschaftlichen Nachwuchs und andere im Bereich der Kunst engagierte Menschen. Das besondere methodische Interesse des Vereins gilt der objektnahen Diskussion und Erprobung kunstgeschichtlicher und kunsttheoretischer Denkfiguren frei von disziplinären und institutionellen Grenzen. Unter diesem Leitgedanken fanden die Tagungen "Das Bild als Ereignis. Zur Lesbarkeit spätmittelalterlicher Kunst" (Heidelberg 2011) sowie "Mediale Dimensionen von Reproduktion" (Gießen 2012) statt. Diese Linie wurde 2014 mit der Tagung "Raumbilder – Bildräume" in Mainz fortgesetzt.
www.bildalsereignis.de
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