Montag, 3. August 2020
Kurztext zu meinem Thyssen-Forschungsprojekt "Street Art History of Stencils"
Schablonentechnik in der Street Art | Die »Geschichte des Stencils in der Street Art« erforscht Dr. Ulrich Blanché, Institut für Europäische Kunstgeschichte, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Obwohl den urbanen Straßenbildern in den letzten Jahren größere Aufmerksamkeit zuteilwurde – nicht zuletzt aufgrund der aufsehenerregenden Beispiele des Briten Banksy, einem der Hauptvertreter der aktuellen Street Art –, sind die Ursprünge der zugrunde liegenden Schablonentechnik bislang weitgehend unerforscht geblieben.Projekt »Geschichte des Stencils in der Street Art«: Sprühschablone vor Erfindung der Aerosol-Farbsprühdose.
Da sowohl die Motive als auch die Wahl von Schriftarten, Untergründen und Anbrin-gungsorten nur im Zusammenhang mit der künstlerischen Technik zu verstehen sind, zeichnet Dr. Blanché die historische Entwicklung von Stencils/Schablonen/Pochoirs in der Street Art insbesondere in Deutschland, Frankreich, England, Polen und den USA nach 1960 nach. Wie fand die seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Kontext von Außen-werbung, Schildermalerei oder Verpackungsbeschriftung (u. a. für das Militär) verwen-dete Technik Eingang in die Bereiche politischen Widerstands (etwa der Weißen Rose), faschistischer und linker Propaganda, Punk, Pop Art und Street Art?
Ziel des Projekts ist es auch, populäre Irrtümer auszuräumen, etwa dass der Pochoirist Blek le Rat, der seit 1981 mit Schablonen arbeitet, Banksy dazu inspiriert habe, Ratten und Schablonen zu verwenden, oder dass der Schablonenkünstler und Beuys-Schüler Matthias Kohlhöfer die Stencil-Technik, die er und Sigmar Polke auf Leinwand in Düsseldorf verwendeten, nach seinem Umzug nach New York in die dortige East-Village-Kunstszene eingeführt habe. Stattdessen weist Dr. Blanché nach, dass etwa der Stencil-Pionier John Fekner schon vorher mit Schablonen dort im urbanen Raum tätig war bzw. dass der aus Bristol stam-mende Banksy von lokalen Bristoler Graffiti-Writern dazu inspiriert wurde, Schablonen zu verwenden, welche wiederum durch Punk-Schablonen beeinflusst wurden, die teils als Gimmicks Schallplatten beigelegt oder auf deren Cover abgebildet waren. En passant werden damit auch Kontinuitäten in Subkulturen sichtbar gemacht, die bisher eher als aufeinanderfolgend und gegensätzlich wahrgenommen wurden, etwa zwischen 1968er-Hippies und Punk oder zwischen Punk und Hip-Hop bzw. der frühen Rave-Kultur.Untersucht werden auch die sich im Laufe der Zeit ändernden Materialien. Waren frühe Schablonen in erster Linie aus Metall und Holz und wurden mit Pinsel und Farbe aufgetragen, arbeiten Street Artists eher mit Pappe und Plastik in Kombination mit Sprühdosen. Da Schablonen eine Do-it-yourself-Technik sind, gilt ein Fokus Gebrauchsanweisungen zur Verwendung von Schablonen etwa von Punks und später Street Artists im Vergleich.
Dr. Blanché möchte zeigen, dass nicht nur inhaltlich und formal, sondern auch personell eine Entwicklungslinie des Schablonenbildes vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart gezogen werden kann.